Arbeitsrechtlexikon A - Z

Entschädigung wegen Pandemie für Arbeitnehmer & Arbeitgeber / Unternehmer

Bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen rechtmäßiger Pandemiemaßnahmen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen

  1. Ansprüchen der Arbeitnehmer,
    verbunden mit etwaigen Erstattungsansprüchen der Arbeitgeber
  2. Ansprüche der Arbeitgeber bzw. Unternehmer
    so weit
    – arbeitsrechtlich nicht abgedeckt,
    – durch Soforthilfe / Pauschalentschädigungen nicht abgedeckt.
Für Unternehmer gilt:

Jenseits der sehr komplexen Rechtslage, und notwendigen Einzelfallprüfung , sollten Unternehmer

  • bei begründeteten  “pandemiekausalen” Betriebsschäden
  • -innerhalb der (oft) knappen Antragsfristen (3 Monate ?)
  • mögliche Ansprüche prüfen (lassen)
  • und rein vorsorglich fristgerechte inhaltlich begründete Anträge mit Schadensberechnung stellen.

Die Rechtssprechung wird am Ende Fallgruppen bilden (müssen), 

  • ob “dem Grunde nach”,
  • und wenn “ja”, in welcher Höhe Anspruch auf weitergehende Entschädigung besteht.

 

A. Entschädigung für Arbeitnehmer / Erstattungen für Arbeitgeber

Entschädigung für Arbeitnehmer & korrespondierende Erstattungen für Arbeitgeber sind relativ klar gesetzlich geregelt. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer „wg. Pandemiemassnahmen“ Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben

  • für die Dauer von sechs Wochen „wegen Pandemiemaßnahmen“ , und
  • die Höhe der Entgeltfortzahlung 100 % beträgt, bei Kinderbetreuung (aber nur) 67 %,
    des letzten durchschnittlichen Nettogehaltes.

Der Arbeitgeber erhält diese Gehaltsfortzahlung grundsätzlich

  • für die Dauer von sechs Wochen

Ab der

  • siebten Woche wird die gesetzliche Krankenkasse eintrittspflichtig, entsprechend den Regelungen bei Arbeitsunfähigkeit, und
  • die Höhe der Krankengeldzahlung beträgt dann (entsprechend § 44 I SGB V) 70 % des Durchschnitts der letzten 13 Wochen (Ausnahmen bis 12 Monate)

Fallgruppen

Zu unterscheiden sind grundsätzlich vier Fallgruppen von Erstattungs-/ Entschädigungsansprüchen

  1. als Anstecker, Ausscheider und „Verdächtiger“,
  2. wegen Schul-/ Kindergartenschließung und „notwendiger“ Betreuung von Kinder bis 12 J,
  3. bei gewöhnliche Arbeitsunfähigkeit, zB Arbeitsunfähigkeit wg. Pandemieerkrankung“,
  4. bei Kurzarbeit

 

  1. Wer nach § 56 I InfG
  • Ausscheider oder Ansteckungsverdächtiger ist , und

  • aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz
  • einem Verbot in der Ausübung der Erwerbstätigkeit unterliegt,
  • erhält für die Dauer bis zu sechs Wochen vom Arbeitgeber 100 % Verdienstausfall,
    ab der siebten Woche Krankengeld der Krankenkasse.

Der Arbeitgeber hat Anspruch auf Erstattung dieser Leistungen für den Arbeitnehmer.

  1. Wer nach § 56 I a InfG
  • wegen Schul – oder Kindergartenschließung

  • aufgrund einer Massnahme nach dem Infektionschutzgesetz
  • seine Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann,
    weil er Kinder bis zwölf Jahren betreuen muss,
    UND dies anders nicht möglich ist,
  • erhält für die Dauer von bis zu sechs Wochen vom Arbeitgeber 67 % seines letzten Gehaltes, maximal aber Euro 2016, ab der siebten Woche Krankengeld der

Der Arbeitgeber hat Anspruch auf Erstattung dieser Leistungen für den Arbeitnehmer.

  1. Für Arbeitsunfähigkeit
  • gelten die allgemeinen Regelungen nach 3 EfZG, § 45 I SGB V, also
  • also für die Dauer von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber in Höhe von 100 % des letzten Durchschnittsgehalts, ab der siebten Woche Krankengeld der  

Der Arbeitgeber hat Anspruch auf Erstattung nur in Kleinbetrieben bis 30 Arbeitnehmer, wenn er freiwillig Sonderleistung für die sogenannte Umlage 1 zahlt. Die Höhe beträgt je nach gewähltem Anteil der Umlage eins 40-80 %.

  1. Bei Einführung von Kurzarbeit
  • besteht Anspruch auf Kurzarbeitergeld bei „vorübergehendem Arbeitsausfall“,
  • für die Dauer von 12 Monaten,
  • in Höhe von 60 bzw. 67 % des „letzten nettos“ ,
    neu: ab dem 4. Monat 70 % / 77 %,
              ab dem 7. Monat 80 % / 87 %

    wenn
  • grundsätzlich 30 % der Arbeitnehmer,
    neu:                  10 % der Arbeitnehmer in der Zeit vom 1. 03. bis 31.12.2020
    Arbeitsausfall haben.

Der Arbeitgeber erhält 

  • von der Bundesagentur für Arbeit Erstattung der Entgeltfortzahlung bei Kurzarbeit in Höhe von 60 bzw. 67 %, und
  • hat keinen Anspruch auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge,
    mit Ausnahme
    in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.12.2020 in der Anspruch auch auf Erstattung aller Sozialversicherungsbeiträge besteht.

 

B. Entschädigung für Arbeitgeber & Unternehmer

Unklar, und nicht ausreichend im Infektionsschutz geregelt, ist die Frage

  • ob Arbeitgeber & Unternehmer dem Grunde nach,
  • und wenn ja, in welcher Höhe
  • Anspruch auf Entschädigung haben, für 
    a. die Erstattung von Lohnkosten ,
    b. “pandemiemassnahmenbedingte” Betriebsschäden
  • die über die gewährten Soforthilfen / Pauschalentschädigungen hinausgehen ? 

Hier wird auf jeden Einzelfall abzustellen sein, und auch zu unterscheiden sein, ob der betroffene Arbeitgeber / Unternehmer wegen behördlicher Massnahmen

  • als „Störer“,
  • oder als „Nichtstörer“

„wg. Pandemie“ einen „weitergehenden“ Schaden erlitten haben und weiter erleiden.

Antrag stellen !

Viele Streitfragen, werden am Ende die Gerichte entscheiden müssen. Betroffenen ist aber 

  • dringend anzuraten, innerhalb der oft 3 – Monatsfristen, “rein vorsorglich” weiter Entschädigungsanträge zu stellen,
  • und die Schäden sowie deren Ursächlichkeit in “Pandemiemassnahem” schon im Antrag substantiiert darzulegen / nachzuweisen.

 

Fallgruppen

Entschädigungsansprüche können Betrieben in folgenden 4 Fällen zustehen

  1. bei Verdienstausfall des Betriebsinhabers,
  2. wenn die  Existenz bedroht ist, weil „wg. einer Pandemiemassnahme“ der Betrieb ruht,
  3. bei enteignenden Eingriff oder Vermögensnachteil „durch eine Pandemiemassnahme“,
  4. bei Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, in NRW § 39 Ordnungsbehördengesetz, § 69 Polizeigesetz.

 

  1. Arbeitgeber & Unternehmer die nach § 56 I InfG
  • Ausscheider oder Ansteckungsverdächtiger sind , und

  • aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz
  • einem Verbot in der Ausübung der Erwerbstätigkeit unterliegen,
  •  erhalten für die Dauer bis zu sechs Wochen vom Land 100 % Verdienstausfall,
    ab der siebten Woche Krankengeld der Krankenkasse.
  1. Arbeitgebern & Unternehmern gewährt § 56 IV S.1 InfG
  • bei Existenzgefährdung (wegen einer Massnahme nach § 56 I InfG)

  • (zusätzlich zu § 56 I InfG) Anspruch auf „Ersatz von Mehraufwendungen in angemessenem Umfang“.
Insbesondere aber gewährt § 56 IV S.1 InfG
  • Selbständigen deren Betrieb „wegen einer Massnahme nach § 56 I InfG“ ruht,

  • Anspruch auf „Ersatz der nicht gedeckten Betriebsaufwendungen in angemessenem Umfang“.

Hierzu heißt es in dem Antragsformular der Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter IV: „Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während der Absonderung beruht, können neben den übrigen Entschädigungsleistungen Ersatz der während der Absonderung weiter laufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang er halten“

Nach Ansicht des Landes NRW, und wohl aller  Bundes – Länder,  sollen aber die Entschädigungsregelungen nach dem InfG bei der gegenwärtigen Coronavirus Pandemie nicht anwendbar für die genannten Fallgruppen oben sein (!). Nach den aktuellen Merkblättern der Landesregierung NRW sind “Zitat”

  • die von Bund, Land NRW oder freiwillig beschlossenen Betriebsschließungen und Veranstaltungsabsagen keine Quarantäne oder Tätigkeitsverbote im Sinne des Infektionsschutzgesetzes “.

Eine Begründung hierzu ist nicht feststellbar. Richtig ist, das Infektionsschutzgesetz “an sich” den “Einzelfall” einer Betriebsschliessung, z.B. Salmonelleninfektion der Mitarbeiter einer Arztpraxis, im Auge hatte, und Entschädigungsansprüche nach Wortlaut und Systematik “handwerklich” schlecht und unvollständig geregelt sind. Richtig ist aber vor allem weiter, dass der Gesetzgeber allem Anschein nach im Gesetzgebungsverfahren den Fall der gegenwärtigen Pandemie überhaupt nicht gesehen hat. Vieles spricht deshalb dafür, dass hier eine “planwidrige Regelungslücke” vorliegt, und die unvollständigen Entschädigungsregelungen des InfG analog  zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen herangezogen werden können.

3. Weiter gewährt § 65 I InfG
  • Anspruch auf  auf Entschädigung
  • bei rechtmässigen Massnahmen nach § 16, 17 InfG
    und
  • “nicht nur unwesentlichen Vermögensnachteilen”,

Unklar ist , warum die Landesregierung NRW die bisherigen Massnahmen nicht unter § 16, 17 Infg fallen lassen will – obwohl doch diese Regelungen die gesetzliche Ermächtigung zu den zahlreichen “Pandemieeingriffen”  sein soll ??  

Neu ist der Entschädigungsanspruch aus § 16 II EpedemieG NW, der
  • Anspruch auf ” angemessene Entschädigung in Geld” gewährt,
  • soweit eine Massnahme nach dem Epedemiegesetz “enteignende Wirkung” hat.

Die Anforderungen an den Nachweise eines “Sonderopfers” “enteignende Wirkung” werden hoch sein.

 

4. Schliesslich bleiben noch §§ 39 OBG NW, 67 PolG NW,

die nach “allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht” , hier des Landes NRW, 

  • bei einer Inanspruchnahme als “Nichtstörer” nach Polizei- und Ordnungsrecht,

  • mit Eintritt eines kausalen Schadens bei dem Betroffenen “Nichtstörer”,
  • Anspruch auf 
    1. Ersatz des Vermögensschadens, und
    2. entgangengen Gewinns (in Grenzen, nicht mittelbar)

begründet. Diese Entschädigungsregelung gilt neben allen zitierten Normen des Infektionsschutzgesetzes und des Epedemiegesetz NW.

 Einzelheiten bleiben in jedem Einzelfall gesondert, und individuell zu prüfen. Die Erfolgsaussichten für durch “Einzelverwaltungsakt- / Verfügung” Betroffene, wie z.B.  Betriebsuntersagung durch Bescheide der Städte und Kommunen bei Friseuren, Kosmetiksalons, Fittnesstudios, Gaststätten etc. dürfte aussichtsreicher sein, wie die von Betrieben & Freiberuflern deren Tättigkeit nicht “ausdrücklich” untersagt wurde.